Märchen
Das hässliche Entlein
Es war einmal eine stolze und glückliche Ente. „Ich habe sieben schöne Eier und bald werde ich sieben schöne Küken haben“, sagte sie zu den anderen Tieren am Flussufer.
Nicht mehr lange, und schon hörte sie ein Knacken! Und ein hübsches Küken streckte seinen kleinen Kopf aus der Eierschale.
„Ist es nicht wunderschön?“, rief die Ente. Bald kam noch eins… und noch eins…, bis sie sechs schöne kleine Küken hatte, die ihre weichen gelben Flügel in der Frühlingsluft trockneten.
„Nur noch ein Ei übrig“, quakte Mutter Ente. „Und ist es ein großes!“ Eine ganze Weile passierte gar nichts. Mutter Ente machte sich schon Sorgen, doch dann begann das größte Küken endlich zu schlüpfen.
Klopf! Klopf! Klopf! Da kam ein Schnabel.
Kracks, kracks, kracks! Da kam ein Kopf.
Krach, krach, krach! Heraus kam das letzte Küken.
„Oh“, sagte Mutter Ente. „Das ist wohl… ein bisschen anderes!“
Das letzte Küken sah tatsächlich merkwürdig aus. Es war größer als die anderen Küken und hatte auch nicht ihre schönen gelben Federn.
„Das macht nichts“, sagte Mutter Ente. „Du bist mein besonderes Küken. Und jetzt ab ins Wasser“, sagte sie zu ihren Kleinen.
„Ihr müsst gleich schwimmen lernen.“ Ein Küken nach dem anderen hüpfte ins Wasser und landete mit einem kleinen Plopp.
Doch das hässliche Entlein fiel über seine großen Füße und landete mit einem lauten Platschen im Wasser. Die anderen Küken lachten über ihren unbeholfenen Bruder.
„So, meine kleinen Küken“, sagte Mutter Ente, „bleibt zusammen und schwimmt hinter mir her!“
Zurück im Nest übten die Küken das Quaken.
„Sprecht mir nach“, sagte ihre Mutter. „Quak, quak, quaketi-quak!“
„Quak, quak, quaketi-quak!“, wiederholten die Küken – alle außer dem hässlichen Entlein.
„Honk! Honk!“, rief es. Wie sehr es auch versuchte: Es konnte nicht so quaken wie seine Brüder und Schwestern.
„Was für ein Geschrei!“, sagte Mutter Ente. „Na ja, du wirst es schon noch lernen.“
Die anderen Küken quakten vor Lachen.
Das hässliche Entlein ließ verschämt den Kopf hängen.
„Niemand mag mich“, dachte es. „Ich werde nie dazu gehören!“
Am nächsten Tag nahm Mutter Ente ihre Kleinen wieder zum Schwimmen mit. Wieder blieben die Küken in ihrer Nähe, während das hässliche Entlein allein schwamm.
Einige wilde Gänse rauschten herab und landeten nahebei auf dem Fluss.
„Was für ein Vogel bist du denn?“, fragte eine Gans recht frech.
„Ein Entlein natürlich“, antwortete das Entlein.
„Meine Familie hat mich ganz allein gelassen.“
Den restlichen Gänsen tat das hässliche Entlein leid.
„Komm mit uns“, sagten sie, „in die große weite Welt, es gibt so viel zu sehen!“ Aber das hässliche Entlein traute sich nicht von seinem Fluss weg, und so blieb es, wo es war.
Wenn ihre Mutter nicht hinsah, ärgerten die anderen Küken ihren hässlichen Brüder.
„Schaut euch nur seine langweiligen grauen Federn an“, sagte seine Schwester herzlos, während sie ihr eigenes Spiegelbild im Wasser bewunderte. „Meine sind so viel schöner!“
Das hässliche Entlein schwamm davon und schaute sein Spiegelbild an.
„Ich sehe anderes aus als sie“, dachte es.
Traurig und einsam fühlte es sich. Es schwamm den Fluss hinab und hielt nicht an, bis es an einem Ort war, den es noch nie gesehen hatte.
„Ich kann genauso gut allein hier bleiben“, beschloss es.
Auf den Sommer folgte der Herbst. Der Himmel wurde wolkig und der Fluss trüb. Doch das hässliche Entlein schwamm noch immer allein in seinem ruhigem Teil des Flusses.
In diesem Winter gab es viel Schnee, und das hässliche Entlein fror und fühlte sich allein. Der Fluss war zugefroren.
„Wenigstens kann ich so mein hässliches Spiegelbild nicht mehr sehen“, dachte es bei sich.
Endlich kam der Frühling, und das Eis taute.
Neue Besucher erschienen auf dem Fluss.
Das hässliche Entlein wurde nervös, als einige prächtige weiße Enten herbeischwammen.
„Ihr seid aber große Enten“, sagte es, als sie näherkamen.
„Wir sind keine Enten“, lachten die eleganten Wesen. „Wir sind Schwäne – genau wie du!“
Das hässliche Entlein wusste nicht, was sie meinen. Es blickte auf sein Spiegelbild im Fluss und war überrascht, wunderschöne weiße Federn und einen eleganten langen Hals zu sehen.
„Bin das wirklich ich?“, fragte es verwundert.
„Oh, ja!“, sagten sie. „Du bist wirklich ein hübscher Schwan!“
Der hübsche junge Schwan gesellte sich zu seinen neuen Freunden und glitt anmutig mit ihnen den Fluss hinauf.
Als er an eine Entenfamilie vorbeischwamm, erkannte Mutter Ente sofort ihr hässliches Entlein. „Ich wusste immer, er ist etwas Besonderes!“, sagte sie.
Und der schöne junge Schwan schwamm stolz auf dem Fluss. Er schüttelte sein prächtiges weißes Gefieder und hielt den eleganten Kopf hoch erhoben.
Ende.