Gedichte

1. Lyrisches Intermezzo. Heinrich Heine

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Sie saßen und tranken am Teetisch

Und sprachen von Liebe viel.

Die Herren, die waren ästhetisch,

Die Damen von zarten Gefühl.

 

"Die Liebe muss sein platonisch",

Der dürre Hofrat sprach.

Die Hofrätin lächelt ironisch,

Und dennoch seufzet sie: "Ach!"

 

Der Domherr öffnet den Mund weit:

"Die Liebe sei nicht zu roh,

Sie schadet sonst der Gesundheit."

Das Fräulein lispert:"Wieso?"

 

Die Gräfin spricht wehmütig:

"Die liebe ist eine Passion!"

Und präsentiert gütig

die Tasse dem Herrn Baron.

 

Am Tische war noch ein Plätzchen,

Mein Liebchen, da hast du gefehlt.

Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,

Von deine Liebe erzählt.

 

2. Belsatzar / Belsazar . Heinrich Heine

Belsatzar/Belsazar ist eine Ballade von Heinrich Heine aus dem Jahre 1820. Das Gedicht gibt eine leicht abgewandelte biblische Erzählung wieder: Belsazar, der König von Babylon, lästert über Jehova, den Gott der Juden. Daraufhin erscheint eine geheimnisvolle Flammenschrift an der Wand. In der biblischen Vorlage enthüllt der Prophet Daniel das Menetekel als Urteil Gottes und prophezeit dem Herrscher den baldigen Untergang. In Heines Version hingegen tritt der Prophet nicht auf und der Sinn der rätselhaften Schrift bleibt unverständlich. Dennoch wird Heines Belsatzar von seinen eigenen Knechten getötet.

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben, in des Königs Schloss,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Troß,

Dort oben, in dem Königssaal,
Belsatzar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reih’n,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht’;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Muth.

Und blindlings reißt der Muth ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Die Knechtenschaar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand’.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehovah! dir künd’ ich auf ewig Hohn, –
Ich bin der König von Babylon!

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und todtenblaß.

Die Knechtenschaar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsatzar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.